Alles auf
einen Blick

Programm

clever

Eine Kurzgeschichte von Paolo Percoco, gelesen von Clemens Grote.

Der dritte Tag. Ich bin gerade aufgestanden, meine Großmutter geht in den Kühlschrank und meine Uhr zeigt genau sieben. Gut, dass ich weiß, dass es acht Uhr ist, denn meine Uhr geht immer peinlich genau eine Stunde nach! - um Postboten zu täuschen.

Die Türe zum Badezimmer steht sperrangelweit offen, niemand befindet sich darin also gehe ich hinein. Spezial-Agenten-Supergebiß-Paste auf die Bürste.

Plötzlich werde ich unterbrochen, ein Kanal öffnet sich und ich lege die Bürste zur Seite. Das Bild im Spiegel wird schärfer, die Gestalt sagt: “Sie wissen schon...” Und ich wusste schon, sie hatte recht! Denn ich bin Agent, Spezialgeheimagent. Ich bin der Beste.

So putze ich mir schnell die Zähne, entferne das Kondenswasser von meiner Uhr und bekleide mich mit unauffälligen Stofftüchern, es ist kurz vor elf, der Kühlschrank steht bedrohlich in der Küche und ich weiß schon...

Über meine Füße stülpe ich meine Spezial-Haftungsstiefel und öffne vorsichtig die Türe des Kühlschrankes, Butterreste bleiben an meinen Stofftüchern kleben und Eiswürfel scheppern im Schnee des Gefrierfaches über mir während ich die Türe langsam hinter mir schließe. Leberwurst verfängt sich in meinem Haar doch das ist ohne Bedeutung, ich darf jetzt nicht enttarnt werden.

Um unerkannt an meiner Großmutter vorbeizuschleichen nehme ich mir eine Erdbeere und verstecke mich geschickt dahinter. Meine Großmutter trifft sich um diese Zeit immer mit ihrer besten Freundin Josef um eine Tasse Brot zu hören und ein Kuchen.

Hinter meiner Erdbeere bin ich gut versteckt, ich kann meine Großmutter und Josef sprechen hören. “Heute ist der Kuchen!” sagt Großmutter. Josef zögert. “Naja, das Brot hat sich auch schon besser angehört...” sagt sie.

Und ich muss weiter, meine Mission ist sehr wichtig! Einige Meter entfernt lege ich die Erdbeere ab und muss lachen: ich hätte sie gar nicht gebraucht, schließlich bin ich so genial mit unauffälligen Stofftüchern getarnt, dass ich nicht weiß, ob ich bin.

Ich nehme eines der vielen Tücher und werfe es ungefähr dreißig Zentimeter vor mir auf die Erde, nehme mir fest vor es nicht aufzuheben. Drei Stunden später liegt es noch am selben Platz. Erleichtert hebe ich es auf und verwandele es in einen fliegenden Teppich. Dieser ist sehr schnell und schwer zu lenken, er hat kein Steuer und keine Bremse. Mit Überlichtgeschwindigkeit rase ich über das Erdbeerfeld in meinem Kühlschrank, meine Großmutter sieht mich nicht, ich bin zu schnell. Die Türe, die Kühlschranktüre! Nein! Ja!

Ich ramme etwas Seltsames aus Stoff und reiße die Kühlschranktüre heraus wie eine Tüte Milch, bevor ich hammerhart mit dem Kopf an der Wand aufschlage und das Bewusstsein verliere.

Ich wache auf, meine Uhr ist zerstört und unter mir liegt die Kühlschranktür und daneben etwas seltsames aus Stoff, dass ich fast nicht erkennen kann, so gut ist es getarnt. Ich deaktiviere meine Spezial-Haftungsstiefel und falle von der Decke zu Boden, lande angenehm auf dem Stoff.

Es ist eine getarnte Person, eine mit unauffälligen Stofftüchern getarnte Person. Sie sieht beinahe aus wie ich. Langsam nehme ich Stofftuch für Stofftuch und enttarne die Person am Boden. Sie wird immer deutlicher. Ich bin es! Ich stehe fassungslos vor mir und liege am Boden, die Stofftücher erfüllen den ganzen Raum und es riecht verdächtig nach Butter.

Der Teppich muss so schnell auf die Kühlschranktüre zugeflogen sein, dass ich dort ankam, bevor ich überhaupt in den Kühlschrank gegangen war. Das leuchtet mir ein, ich habe mich also unabsichtlich selbst erschlagen.

Meine Mission ist erfüllt! Ich bin der Mörder! Ich habe den Täter gefasst, ich bin es!

Vor Gericht wurde ich dann freigesprochen, sie hatten vergessen, dass ich die Lizenz habe. Sie wissen schon... Da ich im Dienst starb bekam ich noch jede Menge Kohle, schenkte meiner Großmutter und Josef einen neuen Kühlschrank und besorgte mir eine teure Bestattung.

Manchmal des Abends frage ich mich wie das Alles möglich ist. Dann vertreibe ich die Gedanken mit einem guten Glas Wein und gehe weg.

Audio

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Infos aus MP3-Tag

Titel
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Künstler
Clemens Grote, Paolo Percoco
Album
Kulturradio
Jahr
2016
Genre
Radio
Dauer
5:11
Format
mp3, 320Kbps

Sendedatum

22. Aug. 2016 | 00:00